Mittwoch, 29. Mai 2019

Ein Hauch von Sommerwiese

Bei unserem letzten Mai-Übungsabend haben wir das Programm ein wenig abgeändert. Zwar ging es nach wie vor um Shōka shōfūtai nishu-ike, aber anstelle von Iris und Zweigen haben wir auf anderes kazai umdisponiert. Die Irisblätter verwenden wir schließlich noch zur Genüge beim Shōka-Workshop Ende Juni. 

Der Großmarkt ist um diese Jahreszeit mit vielen unterschiedlichen Blumen bestückt, da sollte man eigentlich aus dem Vollen schöpfen können. Für isshu-ike hätte es auch jede Menge passender Pflanzen gegeben: Neben den immer noch vorhandenen Pfingstrosen waren auch Rittersporn, Levkojen, Löwenmaul, Astilben, wunderbare Glockenblumen und auch die ersten Gladiolen im Angebot. 
Wir aber sollten nishu-ike arbeiten und zu so prächtigen Blumen passt kein anderes Blütenmaterial als nejime

Also fiel die Wahl auf Nigella, die "Jungfer im Grünen". Die zarten Blütenblätter fallen zwar leicht ab (das hat man zuerst im Auto und später am Boden des Seminarraums deutlich gemerkt), aber auch die Knospen und die grünen Kapseln sind sehr elegant. Außerdem waren die frischgrünen Fiederblättchen stabiler, als man ihnen im ersten Moment ansah. 
Um den luftig-leichten, etwas "wilden" Ausdruck zu unterstützen, brauchte es natürlich ein Material als nejime, dem man die Kultivierung und züchterische Bearbeitung nicht sofort anmerkte. Hier kam eine Sommerchrysantheme ins Spiel, die ihre Verwandtschaft zum Mutterkraut nicht verleugnen konnte. Unzählige kleine cremefarbene Knöpfchen und ein leidlich gutes Laub zeichneten diese Pflanze aus. 

Die Kombination der beiden Blumen stellte eine Herausforderung für unsere Damen und Herren dar. Nach den kräftigen Pfingstrosen vom vorherigen Übungsabend durften sie nun mit den zerbrechlichen (und dünnen) Stielen der Nigella spielen. Nach anfänglichem Gestöhne scheint es aber dann doch allen gefallen zu haben, jedenfalls waren sie auf ihre Ergebnisse stolz. 

Das alternative natürliche Jiyūka bestand aus völlig anderem Material. Kleine, zartrosa Curcuma-Blüten mit (angewachsenen) Blättern und dazu eine gefüllt blühende weiße Eustoma mit dunkelvioletten Akzenten zwischen den gerüschten Blütenblättern. Auch das ein nicht alltägliches kazai. Die Curcuma-Stile mussten natürlich erst "ausgezogen" werden, aber dann brachten die Blätter eine interessante Note ins Arrangement.

 

Sonntag, 19. Mai 2019

Ichiyō-Workshop in Wien

Gabriela und ich nutzten die Gelegenheit, an einem von Ikebana International Chapter #223 Vienna organisierten Workshop mit den Ichiyō-Meisterinnen Corrie van der Meer-Fischer und Jeanne Rauwenhoff teilzunehmen. Das Programm klang sehr vielversprechend und wir wurden auch nicht enttäuscht. 

Am Samstagvormittag beschäftigten wir uns mit einem Schalenarrangement im Moribana-Stil, allerdings ohne die Verwendung eines kenzan. Aus langen, entblätterten Cornus-Zweigen sollten wir uns eine Befestigungsmöglichkeit basteln, die gleichzeitig als Gestaltungselement dient. 
Dafür haben wir die Zweige so lange gebogen, verdreht und miteinander verflochten, bis sie stabil in der Schale ruhten und durch ihre Eigenspannung nicht nur eine dreidimensionale Struktur bildeten, sondern auch in der Lage waren, die Blumen sicher zu halten. 
Diese sollten nicht niedrig wie in einem üblichen Moribana, sondern eher so wie in einem Nageire arrangiert werden und über die Haltestruktur hinausragen. Verschiedenfarbige Eustoma und Hostablätter hatten wir dafür zur Verfügung. 

In der Nachmittagseinheit ging es dann um Nageire nach dem Motto "Balance durch Ungleichgewicht". Dafür gab es verschiedene Möglichkeiten: Entweder den Schwerpunkt des Gefäßes verschieben, indem man es schief/gekippt aufstellt und das Gleichgewicht durch das Pflanzenmaterial wiederherstellt. Oder indem man auf einer Seite dichtes, schweres Material verwendet und auf der anderen Seite leichte, luftig anmutende Pflanzen arrangiert. Auch durch die Kombination dunkler und heller Farben kann dieses Ungleichgewicht geschaffen werden. 
Bei all diesen Methoden sollte im Endeffekt das Gesamtwerk wieder ausgewogen erscheinen und trotzdem Asymmetrie aufweisen. Für die Umsetzung stand uns eine große Auswahl unterschiedlicher Zweige und Blumen zur Verfügung, aus der sich jeder aussuchte, was einem gefiel. 

Die Aufgabenstellung für Sonntag erforderte ein gewisses Bastelgeschick. Wir fanden ein längliches Stück Eschenfurnier auf unserem Tisch und dazu kamen noch drei Typhablätter. Daraus sollten wir uns unser Gefäß basteln, das im Anschluss mit Gloriosa oder Clematis und kleinen Blättern bespielt werden sollte. 
Ob das Gefäß nun korbartig gestaltet wurde oder mehr skulptural, all das blieb uns selbst überlassen. 

Die Furnierplatte wurde in Streifen gebrochen – je nach Wunsch entstanden mal breitere oder auch ganz schmale Streifen. Diese wurden nun gebogen und miteinander verflochten, bis eine Form entstand, die den eigenen Vorstellungen am ehesten entsprach (und auch halbwegs stabil im Gleichgewicht blieb). Die Typhablätter dienten dabei als Kontrastmaterial und sie wurden genauso wie die Furnierstreifen verflochten. 
Die Blumen wurden in einem Orchideenröhrchen befestigt, das in der Struktur verborgen war. Da die Betonung des Arrangements auf dem "Korb" lag, haben wir die Blumen nur sehr zurückhaltend und als Akzentsetzung verwendet. Außerdem hat die Gloriosa aufgrund ihres prächtigen Aussehens sowieso für sich gewirkt. 

Mit einem deftigen Imbiss und gemütlichen Zusammensein ging der Workshop am frühen Sonntagnachmittag – leider viel zu früh – zu Ende. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie in anderen Ikebana-Schulen gearbeitet wird und welche Aspekte im Zentrum des Interesses stehen.

 die Meisterinnen bei der Arbeit ...
... und zwei ihrer Arrangements
  
 Gabriela's Arbeiten
 
 und hier meine Werke

Mittwoch, 15. Mai 2019

Pfingstrosenträume

Wunderbare lachsfarbene Pfingstrosen – laut Verkäuferin der Sorte "Coral Charm" – hatten wir für unseren Übungsabend zum Themenschwerpunkt "Ikebana mit Pfingstrosen" zur Verfügung. Ausreichende Länge, stabile Stiele und sehr schönes Laub zeichneten das Großmarktmaterial diesmal aus. Es gab wirklich nichts zu meckern (oder vielleicht doch – noch ein bisserl länger und die Pfingstrosen wären absolut und zu 100 % Ikebana-perfekt gewesen) und keine Ausreden bei der Korrektur. 
Zwei der Damen brachten selbst Pfingstrosen mit, alle anderen wurden mit den Exemplaren vom Großmarkt versorgt. 

Die meisten der Anwesenden beschäftigten sich mit Shōka shōfūtai, es wurde aber auch Shōka shinpūtai gearbeitet und Jiyūka waren ebenfalls vertreten. Also ein typischer Querschnitt durch das Ikenobō-Ikebana. 

Für das Shōka shōfūtai gab es die Vorgabe, dass wenn möglich mit fünf Blüten gearbeitet werden sollte. Jeder hatte dafür sieben Stiele zur Verfügung. Für das Jiyūka gab es fünf Pfingstrosen, einige Spireazweige und ein Büschel Frauenmantel. Daraus sollte entweder ein natürliches Arrangement nachgearbeitet oder ein Jiyūka freier Wahl selbst entworfen werden. 

Was gibt es sonst noch zu berichten? Es war ein sehr harmonisches Arbeiten, kein Kampf mit dem Material und die Ergebnisse waren absolut zufriedenstellend. 
Speziell der Nachwuchs, der noch nicht überwältigend viel Shōka-Erfahrung hat, kam gut mit der Aufgabe zurecht. Und auch die Jiyūka waren hübsch anzusehen. 
Shōka shinpūtai mit Pfingstrosen ist wegen der Dominanz der Blüten (oft bei gleichzeitiger Steifheit) ein wenig schwierig umzusetzen, aber die beiden Arrangements – eines davon geteilt – haben die Problemstellung gut gemeistert. Alles in Allem ein gelungener Übungsabend, der alle Teilnehmer zufrieden nach Hause entlassen hat.