Mittwoch, 23. Januar 2019

Frühlingssehnsucht

Richtig frühlingshaft wirkte gestern der große Saal der ÖGG, als wir uns intensiv mit unseren Arrangements beschäftigten. Die Frühlingsblumen ließen uns die klirrende Kälte draußen für eine Weile vergessen. 

Auf dem Programm stand ein Jiyūka mit geteilter kabu (Basic 2) und Schwerpunkt Linie. Die Ausrichtung der Strukturelemente blieb dabei jedem Einzelnen selbst überlassen. So kam es, dass sowohl tate-no-hana als auch naname-no-hana und sogar yoko-no-hana vertreten waren. Und neben den vielen natürlich gestalteten Jiyūka gab es auch eine sehr designhaft gearbeitete Variante. Hier wurde das Thema Linie weitestgehend abstrahiert und die persönliche Intention in den Vordergrund gestellt.

Die meisten von uns griffen auf das bewährte Großmarkt-Paket zurück, das diesmal Weichsel- und Drehweidenzweige enthielt, dazu noch Anemonen, kleine Narzissen und eine neue Sorte von Veronica. 
Bei Letzterer handelte es sich nicht wie üblich um einzelne Blütenkerzen, sondern jede Blüte bestand aus einem ganzen Büschel mit unzähligen Mini-Veronica. Despektierlich gesprochen sahen die Blüten aus wie kleine Klobesen. Aber die typische blau-violette Veronica-Farbe machte sich sehr gut als Farbakzent zu den pinken Anemonen und den cremefarbenen Narzissen mit dem orangen Herz. 
Die Drehweidenzweige – Überbleibsel aus dem letzten Jahr – hatten bereits kräftig durchgetrieben und die zartgrünen Blättchen bildeten einen schönen Kontrast mit den anderen Materialien. 

Da die Wahl, welches der blühenden Materialien denn im Mittelpunkt stehen sollte, ebenfalls freigestellt war, entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Arrangements. 
Hoffentlich sind sie auch heil im jeweiligen Zuhause angekommen. Die Blumen wurden zwar sorgfältig eingepackt, aber die Kälte war doch ziemlich beißend und durchdringend.

die aufrechten Formen - natürlich ausgerichtet
... und ein gutes Beispiel für deine Design-Variante
 
 geneigte Arrangements
 und zuletzt die horizontale Ausrichtung

Freitag, 18. Januar 2019

Monatstreffen Ikebana International

Beim Jänner-Treffen von Ikebana International Chapter #223 ging es um Linien und freien Raum. Im Sōgetsu-Curriculum gibt es das Thema "gebogene Linien" und im Lehrplan der Ichiyō-Schule kommen ebenfalls "fließende und kreuzende Linien" vor. 
Auch Ikenobō streicht die Schönheit und Spannung von Linien hervor, allerdings auf eine etwas andere Art. Im Shōka betsuden gibt es viele Regeln, wie nagashi arrangiert werden können. Und auch das traditionelle Rikka kennt mehrere Möglichkeiten, wie besonders geformte Elemente speziell in Szene gesetzt werden. Man denke hier beispielsweise an die Verwendung von kaskadierendem kazai wie Trauerweide oder an Sonderformen wie tani-watari-shin oder tani-no-koshi-shin
Ein besonders großes Betätigungsfeld liefert das Jiyūka, denn hier gelten Linien neben Punkt, Fläche und Masse als Klassifizierungsmerkmal für die Auswahl von Pflanzenmaterialien. 

Unsere Präsidentin wollte uns diesmal eine etwas andere Herangehensweise an das Thema nahe bringen und hielt ein Kurzreferat über jo – ha – kyū. Dabei handelt es sich um ein Konzept aus dem Noh-Theater, das auch auf Ikebana angewandt werden kann. 
Jo bedeutet so viel wie "Vorbereitung", darauf folgt ha, die "langsame Entfaltung", welche in kyū, der "raschen Durchführung" ihren Abschluss findet. 
Da man jo ebenso mit Beginn, Anfang oder Einleitung übersetzen kann, passt dieses Konzept in gewisser Weise auch zum ersten Treffen des Chapters im neuen Jahr. 

Auf Ikebana umgelegt könnte man die Phasen folgendermaßen betrachten: Jo bedeutet auch "Aufmerksamkeit auf sich ziehen", das Thema der Übung wird erklärt und die Konzentration fokussiert. Nach dieser Vorbereitung befasst man sich in der ha-Phase genauer mit dem Thema, das Material wird ausgesucht, man überlegt sich, wie das Arrangement aussehen könnte und sucht nach Umsetzungsmöglichkeiten. Im abschließenden kyū-Teil erreicht die Spannung einen Höhepunkt und das eigentliche Arrangement wird zügig angefertigt. 

Neben jo – ha – kyū ist auch der Begriff ma von Bedeutung. Damit wird eine in zwei Teilaspekte unterteilte Einheit beschrieben: Die Leere und das Gegenständliche, die gemeinsam einen Raum bilden. Im Ikebana sind das der "freie Raum" und der "gefüllte Raum", die gemeinsam die "Welt" des Arrangements bilden. 
Das Konzept des "freien Raums" ist ein essentieller Bestandteil des Ikenobō-Ikebana und es ist sehr interessant zu erfahren, dass sich dieses Prinzip auch auf andere Bereiche der japanischen Kultur erstreckt. 

Die praktische Umsetzung des Themas brachte uns viele unterschiedliche Arrangements, die ausführlich besprochen wurden, bevor wir uns dem gemütlichen Teil des Abends widmeten.

 
Mein Arrangement: Jiyūka Basic 1 mit Schwerpunkt Linie

Mittwoch, 9. Januar 2019

Neujahrsarrangement

Das Ikebana-Jahr 2019 in der ÖGG startete mit einem festlichen Arrangement zum Jahresbeginn. Da wir das Material – und da im Speziellen den Bambus – für ein traditionelles shō-chiku-bai leider nicht zur Verfügung haben galt die Vorgabe, ein Arrangement freier Wahl mit zumindest einer der Komponenten Kiefer, Bambus oder vorgetriebene Blütenzweige anzufertigen. 

Die meisten der Damen entschieden sich für Jiyūka, aber auch Shōka shinpūtai wurden arrangiert. Speziell beim Jiyūka durfte natürlich auch zusätzliches kazai verwendet werden. 
Diejenigen von uns, die Bambus in die Finger gekriegt haben, brachten ihre Schätze mit und verteilten den Rest. Das galt auch für die Blütenzweige. 
Es wurde alles ratzeputz verwertet und jedes noch so kleine Überbleibsel fand seinen Anwert. 

Ich muss sagen, die Damen waren mit der Treiberei dieses Jahr sehr erfolgreich. Wir hatten nicht nur Zierkirschen, Forsythien und Kriecherl, sondern auch Zierquitten, Duftschneeball und Blutpflaume im Angebot. 
Natürlich werden einige der Arrangements erst in ein paar Tagen ihre volle Schönheit zeigen, denn manche Zweige waren noch sehr knospig. Aber im Großen und Ganzen war es ein erfolgreicher und schöner Start in neue Ikebana-Jahr.

 unsere Jiyūka ....
.... und die Shōka shinpūtai