Mittwoch, 24. Oktober 2018

Ein Meer an Chrysanthemen

Kurz vor Allerheiligen gibt es am Großmarkt üblicherweise Unmengen an Schnitt-Chrysanthemen in den unterschiedlichsten Sorten und Farben (zumindest war das in den letzten Jahren so). Diesmal hat es 1 ½ Wochen vor dem Feiertag eher traurig ausgesehen. 
Christa und ich fanden zwar einige recht interessante und auch außergewöhnliche Exemplare, die nicht nur von der Blütengröße und –form her passen würden, sondern auch lang genug waren und zumindest halbwegs schöne Blätter aufwiesen. Einziges Problem, es waren keine 70 Stück davon aufzutreiben. 
Und dabei wollten wir diesmal das Shōka sowieso mit zwei unterschiedlichen Sorten arbeiten und hätten nur 5 Stück pro Person gebraucht. Denn für die tai-Gruppe waren Chrysanthemen einer kontrastierenden, mehrblütigen Sorte geplant. Schließlich wollen wir nicht jedes Jahr dasselbe Arrangement machen – Abwechslung ist angesagt. 

Immerhin konnten wir 50 lange, rosafarbene Chrysis mit nicht zu großen, halbkugeligen Blüten und eleganten Stielen auftreiben, die wirklich schönes Laub hatten. Für die Jiyūka-Damen fanden wir 20 ähnliche Exemplare in einem etwas dunkleren Rosa (die Blütenform war noch kugeliger und kompakter und die Stiele auch wesentlich uneleganter – aber für ein natürliches Jiyūka ließen sie sich verwenden). 
Als Kontrastsorte wählten wir cremefarbene vielblütige Spinnenchrysanthemen. Schon beim Kauf wussten wir, dass das in ein vergnügliches Ausschneiden ausarten würde. Aber die Verzweigungen der Blüten waren sehr lang und es gab außerdem unterschiedliche Blütengrößen. Ein Faktor, den wir leider bei den einzelblütigen Chrysanthemen schmerzlich vermissen. 

Christa selbst entschied sich, das Shōka mit nur einer Chrysanthemensorte zu arrangieren und kaufte dunkelrosa Chrysis mit einer eher flachen Blütenform. 

Wie schon am Großmarkt prophezeit, war die schwierigste Hürde beim Arrangieren das Ausschneiden der Spinnenchrysanthemen. Aber nachdem erst einmal die Zentralblüte entfernt war, sah die Sache schon einfacher aus und durch die unterschiedlichen Blütenstadien ergab sich eine recht natürlich wirkende Varianz. 
Die drei Stiele, die jede der Damen zur Verfügung hatte, waren mehr als ausreichend, und zwar sowohl für das Jiyūka als auch für das Shōka. 

Das Shōka wurde mit den einzelblütigen Chrysis als shin, ushiro- und mae-ashirai sowie soe mit einem ashirai gestaltet. Die Üppigkeit der tai-Gruppe aus den Spinnen-Chrysis richtete sich dann nach der Form der Vase (und dem vorhandenen Platz im kenzan). Das Jiyūka wurde in einer natürlichen Form nach Moribana-Regeln arrangiert. 
Trotz der vielen Anwesenden verlief der Übungsabend recht ruhig und sehr harmonisch. Durch das anspruchsvolle Arrangement waren alle so in Anspruch genommen, dass wenig Zeit zur Tratschen blieb. 
Beim nächsten Treffen wird das wohl anders sein, da wird vermutlich heftig geschimpft werden, wenn das geplante Nageire nicht und nicht die gewünschte Form annimmt und alles wieder auseinander fällt. Aber vielleicht kommt es auch ganz anders…. 

Freitag, 12. Oktober 2018

Monatstreffen Ikebana International

Das Oktober-Treffen des Chapters Vienna #223 von Ikebana International stand im Zeichen von "so tun als ob". Das Thema lautete "kyo-jitsu – Sein und Schein", wobei bereits in der Vorbesprechung verschiedene Zugangswege erörtert und mit Bildern untermalt wurden. 

Da ging es beispielsweise um die "geborgte Landschaft", wenn der Hintergrund mit dem Arrangement zu einer Einheit verschmilzt. Ein gutes Beispiel dafür ist das berühmte geteilte suna-no-mono von Ikenobō Senko I, das so gestaltet wurde, als würden die auf den Rollbildern im Hintergrund sichtbaren Affen auf den Zweigen der Kiefern turnen. 

Ein anderes Beispiel ist der "durchstechende Zweig", bei dem es scheint, als würde die Linie in der Gefäßwand verschwinden und auf der gegenüberliegenden Seite wieder auftauchen. Eine Variation davon spielt mit der Illusion, dass eine Linie scheinbar unsichtbar eine Lücke überbrückt. 

In der Studiogalerie waren gestern viele verschiedene Arrangements zu sehen, die sich größtenteils in irgendeiner Form mit durchstechenden Linien beschäftigten. Bei einigen Werken stand dabei die Technik in Vordergrund, weshalb dann kein zusätzliches Material verwendet wurde. Ein Arrangement spielte mit dem Thema des "eintauchenden Zweiges", wobei die Linie erst unter Wasser verschwindet und ein wenig entfernt wieder auftaucht.

Mein Beitrag war ein Jiyūka in einer tropfenförmigen Raku-Vase mit einem großen zentralen Loch. Vor diesem montierte ich ein Aststück, das den Eindruck erweckte, ein Stamm entspringe direkt aus der Keramik. In den oberen Teil der Vase kam dann der eigentliche Ast, der wie die Verlängerung des Stammes wirkte. Sonnenblumen und Hypericum vervollständigten zusammen mit etwas Frauenmantel den herbstlichen Eindruck des Arrangements.

Mittwoch, 10. Oktober 2018

Shōka shōfūtai sanshu-ike

Unser gestriger Übungsabend zum Thema Shōka shōfūtai sanshu-ike hat schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf unser nächstes Treffen geliefert. 
Denn in zwei Wochen werden wir uns wieder mit traditionellem Shōka beschäftigen, dann aber isshu-ike mit Chrysanthemen. Außer die Herrschaften ziehen es vor, den einfacheren Weg zu wählen und Jiyūka anstelle von Shōka zu arrangieren. 

Diesmal gab es Eisenhut, Ruscus und cognacfarbene Santini-Chrysanthemen zur Auswahl. Eigentlich waren als Kontrast zum doch sehr starren Eisenhut interessante Zweige geplant gewesen, aber der Großhandel hat uns leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. 
Die Ruscus-Zweige waren zwar lang und wiesen auch einen interessanten Schwung auf (und besaßen teilweise ganz nette, gelb-orange Samen-Kugerl, die schön mit den Chrysanthemen harmonierten), waren aber im Vergleich zu den mächtigen Eisenhut-Stielen optisch ein wenig zu schwach. 

Trotzdem haben wir das Beste aus der Situation gemacht und in den meisten Fällen den Ruscus als ushiro-ashirai und zusätzlich entweder als soe oder zusammen mit Eisenhut als nidan-soe eingesetzt. 
Eine unserer Damen hat sich die betsuden-Form jodan-nagashi zum Vorbild genommen und den ushiro-ashirai als weit ausschwingende Linie gearbeitet. 

Diejenigen, die ihr eigenes kazai mitgebracht hatten, lieferten ebenfalls sehr interessante Variationen des Themas ab. 
Alles in allem waren die Ergebnisse zufriedenstellend, obwohl wir noch daran arbeiten müssen, dass die Arrangements nicht so steif wirken. Aber der Eisenhut war diesmal absolut nicht dazu zu überreden, sich auch nur ein kleines Bisschen biegen zu lassen. 
Der Nachwuchs arrangierte aus demselben kazai wie die Shōka-Damen ein natürliches Jiyūka.