Der erste Tag des zweiten Teils des World Seminars in Kyoto begann für mich relativ gemütlich mit einer Lektion zum Thema 'Variationen im Shōka shōfūtai'. Anne und Monika hingegen durften sich mit Rikka shōfūtai beschäftigen, und zwar mit Formen aus dem naraimono nana-kajō.
Bevor wir uns aber an die Arbeit machen konnten, standen noch die Suche nach dem Klassenzimmer und das Auswählen und Einrichten des Platzes auf dem Programm. Obwohl die Aufzüge zu den Klassenzimmern erst um 8:30 in Betrieb gehen sollten, bildete sich bereits kurz vor 8 Uhr die erste Schlange. Ganz diszipliniert in Viererreihen haben wir uns angestellt und bekannte Gesichter beim Eintreffen begrüßt.
Bei fünf Klassen im Haupthaus, die jeweils rund 35 Teilnehmer umfassen, ist die Schlange entsprechend lang geworden. Die vier weiteren Kurse finden im Nebengebäude West 18 statt.
Zur allgemeinen Begrüßung fanden wir uns alle im Festsaal ein, wo die Professoren vorgestellt und Informationen zum Ablauf mitgeteilt wurden. Dann machten wir uns auf den Weg in unsere Klassenzimmer.
Für meine Gruppe ist Prof. Sasaki zuständig und ich war schon sehr gespannt, da ich ihn bisher nur von diversen Videos kannte. Ein paar der Teilnehmerinnen in meinem Kurs kenne ich bereits vom Sommer letzten Jahres, also bin ich nicht ganz auf mich gestellt.
Die Theorie-Einheit war gut verständlich, denn Prof. Sasaki spricht einerseits etwas Englisch, andererseits haben wir eine sehr gute Dolmetscherin. Wenn dann ab morgen auch die Lautsprecher funktionieren, ist alles perfekt.
Für das heutige Arrangement sollten wir uns entweder an einer nagashi-Variation versuchen oder – wenn das Material nicht ganz passt – mae-zoe arbeiten. Schlimmstenfalls ist auch eine Standardform zulässig, denn nichts ist unpassender als ein willkürlich in Form gezwungener Zweig.
Jeder von uns bekam einen Bund mit sechs Zierquitten, die ungefähr 150 cm lang waren. Leider war einer meiner Zweige ziemlich ramponiert und halb vertrocknet, aber ich bin auch mit den restlichen Zweigen ganz gut zurechtgekommen. Ich habe mich für jodan-nagashi an shin-ushiro-ashirai entschieden, und zwar in gyaku-gatte, da ich so die Zweige bestmöglich einsetzen konnte.
Ich dürfte meine Sache ganz gut gemacht haben, da bei der Korrektur nur ein kleiner tai-oku dazugestellt wurde, damit die räumliche Tiefe des Arrangements zusätzlich betont wird. Mit meinem nagashi war Prof. Sasaki sehr zufrieden, der hat natürlich ausgesehen, obwohl er ursprünglich gerade gewachsen war.
Einige meiner Klassenkameradinnen hatten mit ihren Zweigen ziemlich zu kämpfen und ich glaube, dass Prof. Sasaki am Ende des Tages ziemlich zerstochene Finger hatte, so viel wie er zusätzlich biegen musste.
Wir waren bereits gegen 16 Uhr mit unserer Lektion fertig und bekamen dann noch Anweisungen, dass wir für das morgige Arrangement (modernes suna-no-mono mit kusa-mono) im Shop eine weiße Hartschaumplatte und einen kleinen ukezutsu besorgen sollen. Letzteres ist ungewöhnlich und ich habe extra keine ukezutsu mitgebracht, da die üblicherweise im suna-no-mono nicht verwendet werden. Wir werden allerdings mit einem doboku arbeiten und das geplante Material dürfte irgendwie nicht lang genug sein. Es wird spannend.
Bei Anne und Monika kamen im Rikka ebenfalls Zierquitten zum Einsatz, dazu noch diverses anderes kimono und biwa-Blätter. Sie haben die Rikka-Variation nimai-oha in Kombination mit o-uchi-mikoshi gearbeitet und wurden erst deutlich nach 18 Uhr entlassen. Ihr Kursleiter, Prof. Tsuchiya, hatte jedenfalls jede Menge zu tun, um alle Arrangements in Form zu bringen. Bei Anne und Monika sind die Korrekturen gering ausgefallen, die beiden haben ihre Sache gut gemacht. Morgen steht in ihrer Lektion dann Rikka shimpūtai auf dem Programm, wobei alle Kursteilnehmerinnen fertig zusammengestellte Materialpakete bekommen. Es wird sicher interessant zu sehen, welch vielfältige Werke entstehen werden.
Ein kleiner Abstecher in die Blumenhandlung im Keller hat eine Halle voll mit Blütenzweigen offenbart. Zumindest dort findet man Kirschblüten, an den Bäumen im Freien fangen sie erst ganz zögerlich an sich zu öffnen. Vereinzelt sieht man frühe Sorten mit einzelnen offenen Blüten. Wenn es allerdings weiterhin so warm bleibt, werden die anderen Bäume bald folgen und den in voller Blüte stehenden Pflaumenbäumen Konkurrenz machen.
Hier nun unsere heutigen Werke.
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