Donnerstag, 31. Oktober 2013

Vierter Tag - Rikka shinpûtai, Shôka shinpûtai und Jiyûka


Die Agenda des heutigen Tages verspricht wieder Interessantes. Die erste Gruppe arbeitet zuerst ein Shôka shinpûtai futa-kabu-ike und anschließend ein natürliches Jiyûka in horizontaler Form (yoko-no-hana). Zuerst gab es noch etwas Theorie zu beiden Themen, dann führte Kobayashi-Sensei die Beispielarrangements vor. Es galt wieder einmal neues kazai auszuprobieren: Neben bekannten Materialien wie Mini-Hagebutten, gestreiften Binsen, zarten Cosmeen und den kugeligen grünen Bartnelken gab es auch Zweige mit herzförmigen Blättern in toller Herbstfärbung, Zweige mit ledrigen, grün-weiß gefleckten Blättern und gelbe Nerinen.
Das kazai für das Rikka shinpûtai war nicht minder spannend: Eine Heliconie und ein großes Anthurienblatt, dazu 2 metallic-violette Anthurienblüten, zarten, aufrecht wachsenden Asparagus, eine wunderbare Blume mit hellblauen Blütensternchen namens Blue Star, Zweige der feinen roten Weide, 3 Goldsticks, ebenfalls die grün-weißen Blätter und rosablühende Skimmia.Professor Kobayashi führte uns ein Beispiel vor mit der Auflage, es ja nicht nachzumachen. Schwierige Angelegenheit, schließlich hat er so ziemlich das Beste aus dem Material herausgeholt. Aber da wir das gesamte Restmaterial der vergangenen Tage zur Verfügung hatten, konnten wir trotzdem viele unterschiedliche Arrangements zur Korrektur präsentieren. Der Professor nahm sich sehr viel Zeit für die jeweiligen Änderungen und erklärte auch genau, warum etwas anders arrangiert besser aussieht. Trotzdem waren wir heute frühzeitig fertig und konnten uns in Ruhe auf das gemeinsame Abendessen in einem traditionellen Lokal vorbereiten.

 die Arbeiten von Professor Kobayashi
 
 und hier unsere Rikka shinpûtai

gemeinsames Abendessen
Prof. Pointner-Komoda und Prof. Kobayashi

Dritter Tag in Kyoto – Rikka shofûtai


Den heutigen Unterrichtstag haben wir schon mit Spannung erwartet, Rikka shofûtai sashi-maze-ike stand auf der Agenda. Professor Kobayashi verzichtete diesmal auf die Theorie und demonstrierte gleich das Arrangement. Wir arbeiteten mit Azaleen (nicht die kleinen Dinger, die man bei uns im Topf kaufen kann, sondern richtige, lange Äste von hohen Büschen) in toller Herbstfärbung, dazu noch Baumwürger, Irisblätter, Celosien, waka-matsu, ibuki und gelb-weißer Euonymus. Für die dome standen Farn und weißer Enzian zur Verfügung. Die Farbgebung war sehr zurückhaltend, nicht schreiend bunt. Ein echtes Herbstarrangement eben. Neben der strikten Trennung der Fußpositionen von kimono und kusamono waren es die zusätzlichen ashirai, die eine Herausforderung darstellten. Für das Arrangieren hatten wir etwa 4 ½ Stunden zur Verfügung, deshalb mussten wir richtig "Gas geben".
Nach dem Rikka arrangierte Professor Kobayashi noch ein modernes sui-riku-ike mit Iris, Quitte und Areca-Palme für die andere Gruppe. Das 2. Arrangement, ein Shôka shinpûtai, wurde nicht vorgezeigt.
Wir mussten beim Arrangieren besonders vorsichtig sein, denn von jedem Material gab es genau so viele Stiele, wie im Endeffekt benötigt wurden. Sollte man etwas falsch abschneiden oder abbrechen, hat man Pech gehabt (oder muss versuchen, im Blumenladen im Keller Ersatz zu kaufen). Speziell bei so fragilen Sachen wie dem Farn war das eine heikle Geschichte. Aber schlussendlich hat alles funktioniert. Wir waren so mit unseren eigenen Arrangements beschäftigt, dass die Werke der anderen Gruppe spurlos an uns vorüber gingen. Zum Schauen hatten wir einfach keine Zeit und um 17:00 wartete schon der Wachmann, um den Raum zu versperren. Vielleicht haben wir morgen Früh noch die Zeit, uns die sui-riku-ike bzw. die Shôka shinpûtai anzuschauen. Obwohl, wir müssen erst noch unsere Sachen abbauen, Gefäße und kenzan zurückbringen und alles für das Rikka shinpûtai herrichten.

  
 Professor Kobayashi mit seinen Arrangements
das haben wir aus unserem Material gemacht

Zweiter Tag - Shôka sanshu-ike und Shôka shinpûtai

Der Unterricht war wieder sehr spannen, wir haben viel Neues gehört und gesehen. Zuerst Theorie über Shôka shofûtai sanshu-ike, danach Blitzvorführung und noch vor der Mittagspause Theorie über Shôka shinpûtai. Professor Kobayashi verspricht, nach der Korrektur unserer Shinpûtai selbst eines vorzuführen. Wir sollen uns erst mit dem Material vertraut machen und selbst rumprobieren.Für das Shôka sanshu-ike hatten wir 2 Zweige herbstlich verfärbter Spirea japonica (verdammt brüchig), 3 Stiele verbänderten Ginster und 3 rosa Nelken (keine nadeshiko, aber einfachblühende, zarte Spraynelken) zur Verfügung. Wir sollten selbst entscheiden, welches kazai wir für welche Linien verwenden und experimentieren. Sensei Kobayashi arbeitete in einem etwas breiteren Gefäß ziemlich schwungvoll. Ich hatte eine schmälere Vase und nur ziemlich zarten Ginster zur Verfügung und wählte daher eine feinere Linienführung.
Mitten in unserer Mittagspause holte uns Prof. Kobayashi zu einem Kurzbesuch im Fotostudio einen Stock tiefer ab. Er hatte für eines der Ikebana-Journale ein Rikka shofûtai arrangiert, das in der Februar-Ausgabe veröffentlicht werden soll. Wir durften natürlich auch Fotos davon machen.
Kurz nach Mittag traf dann auch das Zweigmaterial für unser Shôka shinpûtai ein – momiji! Welch eine Freude, mit diesen prächtig verfärbten Ahornzweigen arbeiten zu dürfen. Im ersten Moment traute man sich gar nicht, irgendetwas von diesen wundervollen Zweigen abzuschneiden. Sie wurden aus Hokkaido angeliefert, dort ist es kälter und die Herbstfärbung ist bereits weiter fortgeschritten als in der Stadt. Dazu kamen dann noch 5 Blätter der Iris ochroleuca und 2 Stiele einer sehr interessanten Eustoma-Hybride. Dabei handelt es sich um eine Neuzüchtung, eine Kreuzung aus Eustoma und Ballonblume namens "Mon Cherie". Auf zarten Stielen öffnen sich mittelblaue Blüten, die eine starke Ähnlichkeit mit Ballonblumen aufweisen.
Sobald die Korrekturrunde für das Shôka sanshu-ike beendet war, machten wir uns an das Arrangieren des Shinpûtai. Es wurden die verschiedensten Varianten ausprobiert und schlussendlich konnten wir 15 völlig unterschiedliche Arrangements bewundern. Dann endlich führte uns Kobayashi-Sensei seine Interpretation des Themas "Herbstfarben" vor.
Diesmal waren wir ziemlich früh fertig und konnten uns schon seelisch auf das kommende Rikka vorbereiten. Auch hier haben wir wieder uns unbekanntes kazai zu erwarten. Die Rede war von Azaleen und Baumwürger, das wird sicher sehr spannend werden. Die andere Gruppe wird sich mit einem geteilten Shôka shofûtai und einem Shôka shinpûtai (auch das eventuell futa-kabu-ike) beschäftigen.

 die Vorführungs-Arrangements von Prof. Kobayashi
 und sein "Publikations-Rikka"
 so sehen unsere Arrangements aus

Erster Unterrichtstag im Headquarter in Kyoto


Nach einem Wochenende zum Eingewöhnen beginnt nun endlich der Unterricht mit Professor Kobayashi im Ikenobô-Headquarter. Wir haben einen kleinen Unterrichtsraum im 7. Stock des Hauptgebäudes für uns alleine. Auf dem Weg dorthin kommt man gleich an einigen der regulären Klassen vorbei und kann durchs Fenster einen kurzen Blick erhaschen. Alles ist furchtbar aufregend. Aber erst einmal wird das eigene Plätzchen im Übungsraum eingerichtet. Wir sind in 2 Gruppen eingeteilt, die 8 Rikka-Leute sitzen rechts, während die linke Seite den 7 Mitgliedern der anderen Gruppe gehört. Bis auf Mittwoch und Donnerstag haben wir sowieso das gleiche Programm, aber durch die räumliche Teilung tut sich Kobayashi-Sensei auch leichter, entsprechend der jeweiligen Kenntnisse zu korrigieren.
Am Vormittag hören wir Theorie über Shôka shofûtai isshu-ike und nishu-ike. Prof. Pointner-Komoda übersetzt und Prof. Kobayashi benutzt eine Mischung aus japanisch und englisch für seine Erklärungen. Dadurch ist es auch einfacher, die Notizen auf der Tafel zu verstehen. Nachdem die Blumen angeliefert wurden – schön eingepackt und für das jeweilige Arrangement fix fertig zusammengestellt – besuchen wir den Gefäßraum und suchen uns die entsprechenden Vasen und kenzan aus. Die Blumenigel leiden an massiver Parodontose und die Keramikvasen sind alle irgendwo angeschlagen. Aber alleine der erste Blick auf Reihen von Bambus- und Bronzegefäße ist überwältigend. Zurück im Unterrichtsraum richten wir alles her und putzen erst einmal die kenzan, um dann Prof. Kobayashi beim Arrangieren des Shôka shofûtai nishu-ike zuzusehen. Geschätzte Arrangierdauer: 5 ¾ Minuten für 5 + 3 Linien!
Kurze Mittagspause bei Tee und obento und dann frisch ans Werk. Für das Shôka nishu-ike stehen uns 6 Weidenkätzchen und 3 ganz kleinen Winter-Chrysanthemen (immens viele Knospen und alle fast noch geschlossen) zur Verfügung. Ersatzmaterial gibt es keines, wenn man einen Fehler macht, muss man eventuell runter in den Keller zur Blumenhandlung und Nachschub kaufen. Unsere Arrangements – meines natürlich wieder gyakku-gatte -  sind sehr schön geworden, es gab nur minimale Korrekturen. Dann die nächste Blitzvorführung von Sensei Kobayashi: Ein Shôka isshu-ike mit kakitsubata, 5 Blattgruppen und 3 Blüten. Diesmal waren fast 10 Minuten dafür nötig, ein Zeichen, dass es ein etwas schwierigeres Arrangement werden würde.
Es ist überwältigend, einmal "echte" Irisblätter in Händen zu halten und auch die Blüten sind sowas von elegant. Meine offene hatte allerdings ein geknicktes Blütenblatt und zeigte bereits deutliche Ermüdungserscheinungen, deshalb musste ich kurzerhand umdisponieren und diese als soe-Blüte einsetzen. In der Position fiel der Defekt nicht so auf. Für den shin blieb dann nur die halb offene Blüte mit dem furchtbar krummen Stiel. Natürlich waren die am Schönsten gebogenen Blätter wieder nur für gyakku-gatte geeignet – so ein Pech auch ;-).
Da wir schon relativ zeitig fertig wurden, konnten wir nach dem Aufräumen noch einen Abstecher in den Ikenobô-Shop machen und uns mit dem Nötigsten für das Rikka eindecken.

 Arbeiten von Kobayashi-Sensei
 das sind unsere ersten Werke

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Herbstliches Jiyûka

Gestern beschäftigten wir uns im Unterricht mit einem natürlichen Jiyûka mit herbstlichen kazai, teilweise angelehnt an das typische Mondfest-Material Miscanthus, Chrysanthemen und herbstlich verfärbte Zweige. Wir wollten mit mindestens 3 verschiedenen Pflanzenarten einen harmonischen  und doch fröhlich-bunten Ausdruck erzielen. Die Oktober-Vollmondnacht ist zwar schon einige Tage her, aber trotzdem gab es Informatives über das Mondfest zu hören.
Die meisten von uns arbeiteten gestern mit 3-7 Materialien hito-kabu-ike, aber auch ein geteiltes Arrangement konnte bewundert werden. Eine der Damen hatte eine ganz besondere Idee, sie gestaltete ihr Jiyûka in Anlehnung an den herbstlichen Gartenteich mit vorwiegend Wasser- und Uferpflanzen.
Danach besprachen wir die Details für den nächsten Übungsabend, an dem wir wieder einmal einen Gast begrüßen dürfen. Diese Ikebana-Meisterin wird den Unterricht zum Thema "Chrysanthemenfest" mit Jiyûka und Shôka shofûtai gestalten. Auch gab es erste Infos zum Workshop Ende November, an dem die Fortgeschrittenen Rikka shofûtai arbeiten werden, während sich der Nachwuchs am Samstag an die ersten Nageire-Arrangements wagen wird.

 
  

Mittwoch, 9. Oktober 2013

Chrysanthemen und Konsorten

Beim Betreten des Übungsraumes in der ÖGG kam gestern ein wenig Friedhofsstimmung auf, denn die vorbestellten Chrysanthemen in den Kübeln vermittelten irgendwie den Eindruck von nebelverhangenen Friedhöfen zu Allerheiligen/Allerseelen. Aber gleich vorweggenommen - am Ende des Übungsabend war davon keine Rede mehr.
Chrysanthemen, und da vor Allem die einzelblütigen Sorten, haben bei uns nun mal den Ruf, Friedhofsblumen zu sein. In Japan gilt die Chrysantheme als sehr hochwertiges Material und ist in vielfältiger Weise mit dem Kaiserhaus und der gesamten japanischen Kunst und Kultur verbunden. Die Saison beginnt ja erst, deshalb gab es gestern zur Einstimmung ein natürliches Jiyûka im Stil eines aufrechten Moribana mit 2 Sorten Chrysanthemen unterschiedlicher Farbe. Man könnte natürlich auch in einer Hauptfarbe - da aber mit Schattierungen - arbeiten, aber das kann sehr leicht zu langweiligen Kreationen führen. Wir beschäftigten uns mit Blumen in kräftigen Gelb- und dunklen Rottönen, ein starker Kontrast, der durch das sonnige Gelb der kleinblütigen Sorte aufheiternd wirkt. Es ist meist besser, die tai-Blumen heller als das shin/soe-Material zu wählen, das wirkt wesentlich frischer als die umgekehrte Kombination.
Und obwohl am Ende des Übungsabends 8 Moribana mit gleichem kazai in derselben Grundform aufgereiht nebeneinander standen, glich keines dem anderen. Und von Friedhofsstimmung war keine Spur mehr zu vernehmen.
Als Alternativarrangement stand gestern ein geteiltes Shôka shinpûtai auf dem Programm. Dieses Ikebana ist meist sehr schwer in Harmonie zu bringen, speziell dann, wenn man speziell auf eine geteilte Form hinarbeitet. Üblicherweise geht man den umgekehrten Weg: Nur dann, wenn ein "normales" Shôka shinpûtai irgendwie nicht "passt", kann man mit einer Teilung eine Harmonieverbesserung erzielen. Man kann sowohl in einem als auch verteilt auf 2 oder mehrere Gefäße arbeiten. Gestern durften wir beide Varianten bewundern.