Dienstag, 10. März 2020

Im Zeichen der Tulpe

Die Erholungspause nach dem Seminar in Trier war denkbar kurz, denn der Wecker erinnerte unbarmherzig daran, dass vor dem Übungsabend erst einmal der Blumengroßmarkt besucht werden wollte. 
Das Programm hielt diesmal entweder ein Shōka shōfūtai nishu-ike oder ein Freestyle-Arrangement bereit, beides mit Zweigen und Tulpen gearbeitet. 

Üblicherweise arbeiten wir in so einem Fall mit Palmkätzchen, denn die sind um diese Jahreszeit in recht guter Qualität erhältlich und liegen auch preislich im Rahmen. Diejenigen, welche sich für das Freestyle-Arrangement entschieden hatten, lagen mit der Vermutung auch richtig. 
Diesmal waren es wilde Weidenkätzchen, sehr klein und an zarten Zweigen sitzend, die Bewegung in das natürlich aufgebaute Arrangement brachten. 

Für das Shōka stand anstelle der Palmkätzchen diesmal Prunkspiere (Exochorda macrantha) zur Verfügung. Es war ein Experiment, denn niemand konnte sagen, ob die Zweige halten würden oder überhaupt biegbar sind. 
Jedenfalls besaßen sie einen eigenen Charme mit ihren zartgrünen Blättern und den prächtigen weißen Blüten. Es stellte sich heraus, dass die Zweige zwar nicht sehr einfach, aber schließlich doch in Form zu bringen waren. Auch das Auslichten erforderte etwas Fingerspitzengefühl. Die Blütentrauben hingen zwar gelegentlich ein wenig herab, aber wenn man die Spitzen trimmte, wurden sie leichter und stellten sich mehr auf. Eine Herausforderung, der sich die Damen und Herren tapfer stellten und welche sie auch gut meisterten. 

Die Tulpen waren diesmal von ausgezeichneter Qualität. Sie stammten von einem heimischen Züchter und besaßen herrlich knackige Blätter, die dicht an dicht angeordnet waren. Und auch die Farbe – ein mittleres Pink, an den Außenseiten gelblich überhaucht – war sehr apart. 
Für das Freestyle kam dann zusätzlich noch Mimose als Akzent zum Einsatz. Die war wahrlich weit gereist, hatte sie doch bereits die ganze Fahrt von Wien nach Trier und wieder retour mitgemacht. Die Blütenbällchen waren zwar schon eingetrocknet, aber der Duft war noch vorhanden und als kleiner Farbtupfer reichten sie völlig aus. 
Eine unserer Damen hatte sehr schöne Forsythien mitgebracht, die sie isshu-ike als Shōka shōfūtai arrangierte.

Unsere Freestyle-Arrangements ...
 ... und die Shōka shōfūtai nishu-ike
Shōka shōfūtai isshu-ike mit Forsythie

Montag, 9. März 2020

Meisterseminar in Trier

Dieses Jahr hat es endlich einmal geklappt – das viel gerühmte Seminar in Trier passte vom Termin her in meinen Kalender und Anne wollte sich ebenfalls auf den Weg in die alte Römerstadt machen. Da es sich in Gesellschaft einfach besser reist, bin ich erst zu Anne nach Gräfelfing gefahren und am nächsten Tag haben wir das Unternehmen "Meisterseminar in Trier" gemeinsam in Angriff genommen. 

Der Veranstaltungsort war wie immer das Hotel Deutscher Hof, wo wir sehr freundlich in Empfang genommen wurden. In diesem Jahr war auf Anregung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft geplant, eine kleine Ausstellung zu veranstalten, wofür im Hotel Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt wurden. 
Da sich der Ausstellungsraum gleich neben dem Seminarraum befand, hatten wir nur kurze Wege zu bewältigen. Und ein weiterer Pluspunkt war, dass wir unsere Pflanzen in einem überdachten Bereich im Freien zwischenlagern konnten, wo es angenehm kühl und doch geschützt vor etwaigen Frostattacken war. 

Neben vertrauten Ikebana-Kolleginnen, die wir teilweise nur alle heiligen Zeiten einmal treffen, konnten wir weitere Gleichgesinnte kennenlernen und bekannten Namen endlich Gesichter zuordnen. 
Die Seminarleitung hatte unsere Meisterin, Prof. Pointner-Komoda, inne und um sie scharten sich neun weitere Seminarteilnehmerinnen und Teilnehmer. Da wir hauptsächlich für die Ausstellung arrangierten, gab es kein reguläres Programm und wir konnten uns ganz unseren Prüfungsbögen widmen. 

Für Prof. Pointner war das natürlich ziemlich anstrengend, da wir die Gelegenheit weidlich ausnutzten und fleißig arrangierten. So kamen im Schnitt fünf bis sechs Arrangements pro Nase zustande, die aber alle erst einmal korrigiert werden wollten, bevor sie ihren Weg in die Ausstellung fanden. 
Es wurde beinahe die gesamte Bandbreite des Ikenobō-Ikebana abgedeckt, da es neben vielfältigen Freestyle-Arrangements und traditionellem Shōka shōfūtai auch Shōka und Rikka shinpūtai zu bewundern gab. 

Offiziell zugänglich wäre die Ausstellung zwar erst ab Samstagnachmittag gewesen, aber die Übernachtungsgäste einer Hochzeitsgesellschaft nutzten gleich am Vormittag die Gelegenheit für einen Ausstellungsbesuch und konnten so frühlingshafte Eindrücke mit nach Hause nehmen. Weitere Besucher – die meisten kamen auf Einladung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft – trafen während der gesamten Ausstellungsdauer nach und nach ein, sie kamen auch in den Seminarraum und konnten uns bei der Arbeit beobachten und dadurch nachvollziehen, wie ein Ikebana entsteht. 

Am Sonntagnachmittag ging es dann ans Zusammenpacken und Aufräumen, bevor sich die meisten von uns auf den Heimweg machten. Unsere Meisterin und die Damen aus der Schweiz und den Niederlanden ließen das Seminar gemütlich im Hotel ausklingen und brachen erst am Montag in Richtung Heimat auf. Für mich ging es ebenfalls nur bis nach Gräfelfing, den restlichen Weg nach Wien absolvierte ich erst am Folgetag. 
Hier nun die Arbeiten, auf die Anne und ich uns konzentriert haben:

   Rikka shinpūtai
 Shōka shōfūtai (sui-riku-ike)
 Shōka shinpūtai
 Freestyle