Der zweite Seminartag
brachte uns in Kontakt mit einer sehr alten Ikebana-Form, die derzeit ein
Revival erlebt – tate-hana.
Professor
Noda erklärte uns in der Theorie-Einheit ein wenig über die geschichtliche
Entwicklung des Ikebana. Ausgehend von einerseits religiösen Anfängen und
andererseits von den weitverbreiteten "Blumen des täglichen Lebens" entwickelten
sich im Lauf der Jahrhunderte die drei Stilrichtungen des Ikenobō-Ikebana:
Rikka, Shōka und Jiyūka.
Dabei galt der Begriff tate-hana lange Zeit für alle Blumenarrangements. Erst später
folgte eine Aufspaltung in die diversen Stile.
Anhand sehr anschaulicher
Zeichnungen erklärte uns Noda-sensei
die Entwicklung vom shintoistischen yorishiro
über das eigentliche tate-hana hin
zum heutigen Rikka shōfūtai.
Danach führte er ein entzückendes jahreszeitliches
tate-hana vor und beantwortete
anschließend geduldig unsere zahlreichen Fragen. Dabei ging es auch darum, ob tate-hana nun echt traditionell sei,
oder nicht vielleicht doch zum Rikka shinpūtai zu zählen ist. Schließlich gibt
es unter den neun Formen des Rikka shinpūtai das bimyo-tai, eine Art Miniaturform des Rikka shinpūtai.
Das Fehlen von genauen Regeln und einer vorgegebenen Form (abgesehen von der grundsätzlich aufrechten, nach oben strebenden Ausrichtung und der Notwendigkeit einer Art maeoki) lässt eine Verwandtschaft mit Rikka shinpūtai immerhin erahnen. Auch die Prinzipien des Geistes der Harmonie, die zur Anwendung kommen, sprechen dafür. Aber solange es keine definitive Aussage von Headmaster Sen'ei gibt, werden wir weiter darüber grübeln.
Jedenfalls
wurden wir nach dem Mittagessen in die Botanik geschickt, um passendes Material
zu schneiden. Wir hatten zwar einen Kübel voll mit wunderbaren Blumen und
Zweigen, aber da man im tate-hana
keinen Draht verwenden darf (oder nur wenn es gar nicht anders geht) und wir
etwas benötigten, das wie ein maeoki
zu verwenden ist, blieb uns nur der Geländelauf.
Außerdem, wenn man wie Noda-sensei ein eher "wild" wirkendes Arrangement in Gedanken vor sich sieht, hat man sowieso keine andere Wahl, als passende Pflanzen in der Natur zusammenzusuchen.
Wenigstens haben wir gleich
ein paar Kalorien vom Mittagessen verbrannt. Erfreulicherweise hat das Wetter nach den Regenfällen des Vortages aufgeklart und wir konnten beinahe trockenen Fußes auf Materialjagd gehen.
Es war wirklich interessant zu
sehen, wie gut 40 völlig unterschiedliche Arrangements entstanden und wie kompetent und ausführlich die Korrekturen von Professor Noda ausfielen. Jedenfalls haben
wir wieder eine Menge gelernt und dem Tenor der ganzen Gruppe nach zu urteilen,
hat es allen wirklich gut gefallen. Tate-hana
ist schließlich ein Arrangement, das auch in kleine Wohnungen passt.
Die nächsten Tage werden ebenfalls sehr interessant werden - und für Professor Noda auch überaus anstrengend: Ab morgen wird die Gruppe geteilt und es gibt sowohl Unterricht über Shōka shōfūtai (2 Arrangements pro Tag) und Rikka shōfūtai (2 Rikka in 3 Tagen).
tate-hana von Prof. Noda - inklusive Detailansicht von der Seite
die Arbeiten von Uschi (Celadon-Vase), Gabriela (Korb) und von mir
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